Älter werden mit HIV


Auf meinem Blog habe ich schon einiges über das Thema „Älter werden mit HIV“ geschrieben. Über das „Alt werden“ zu schreiben bedeutet idR das man sachlich über den Prozeß des „alt werdens“ den man an anderen Menschen wahrnimmt berichtet bzw schreibt. Das heißt man ist Beobachter von Tatsachen, Beobachter des Prozeß von  Veränderungen die bei einem anderen Menschen stattfinden. Diese Veränderungen können körperlicher und/oder geistiger Art sein, die sich auch immer auf das Befinden und Verhalten des Menschen auswirken. Der Prozeß des „alt werdens“ findet ja auf mehreren Ebenen statt. Körperlich, geistig, seelisch und emotional. Körperliche und geistige Veränderungen, der Verlust von körperlichen und oder geistigen Fähigkeiten die mit dem „alt werden“ einhergehen können und nicht selten Depressionen, depressive Verstimmungen, Ängste etc auslösen sind wenn wir nur daran denken schon äußerst „beunruhigend“.

Den Menschen als ganzheitliches Wesen wahrzunehmen und zu kommunizieren was es bedeutet „alt zu werden“ davon sind wir noch weit entfernt. Stattdessen trennt – unterteilt man den Menschen in div Aspekte und behandelt lieber jeden Aspekt einzeln , jedes Symptom separat für sich indem man ihm eine rosarote Brille – sprich irgendwelche Medikamente für „das Symptom“ verordnet.

Das man sich diesem Thema „Alter“ stellt solange man noch gesund ist, ist selten. Idr schiebt man „Alter“ auf die lange Bank, verdrängt oder man leugnet die Tatsache des „alt werdens“. Auch oder selbst dann wenn man sich selbst in dem Prozeß des „Alt werdens“ befindet und am eigenen Leib die Bedeutung des Alterns wahrnimmt, erfährt.

Die Schwierigkeiten die körperlichen Veränderungen, der Verlust von Fähigkeiten die durch den Prozeß des „alt werdens“ stattfinden, bringen es mit sich das ich wütend, aggressiv, zynisch, bin, das ich meiner Wut und meinem Ärger über diese Veränderung die einen direkten Einfluß auf die Bewältigung meines Alltages haben, sehr oft freien Lauf lasse. Da nützt dann auch alles Wissen was man sich angelesen hat nichts. Da gehts bei mir mitunter ziemlich chaotisch – ungeordnet zu. Ich bin dann näher am John Wayne State of mind „Shot first ask later“  als im „Mental state der Gelassenheit“. „Freien Lauf lassen“ heißt in dem Fall das ich mich anderen Menschen gegenüber sehr oft aggressiv verhalte. Und Sie haben nun mal gar nix mit meiner pers Situation wie es mir mit dem „alt werden werden“, den damit einhergehenden Veränderungen geht zu tun.

Es ist dieser Zustand des mit mir im Kampf liegens, des nicht den Zustand dessen was Veränderung ist, des „älter werdens“ der Verlust von Fähigkeiten deren Auswirkungen ich täglich am eigenen Leib erfahre, der mir schwer fällt anzunehmen. Das Konzept „Ja, alt werden heißt nicht mehr laufen zu können“ zu sagen, dieses Annehmen tief im inneren, macht mir schwer zu schaffen. Das hadern mit dieser Veränderung ist äußerst anstrengend und bringt es mit sich das ich mich nicht wohl mit mir fühle. Ich meine wer fühlt sich schon wohl und gut wenn er kämpft, besonders wenn es sich um einen Kampf handelt der unabänderlich ist. Veränderungen sind Tatsachen, Bestandteil des Lebens. Ob wir es nun mögen oder nicht. Und ich mag es im Moment gar nicht. Aber vielleicht ist dieses Konzept der „in Gelassenheit seine körperlichen Veränderungen, Verlust von Fähigkeiten wahr und anzunehmen“ auch nur eine große Illusion . . .

Es ist diese Zeile des Liedes von Sting „Consider me Gone“ die diesen Zustand sehr treffend zum Ausdruck bringt die mir in den Sinn kommt . . . Noch nicht.

I’ve spent too many years at war with myself
The doctor has told me it’s no good for my health

Im Gegensatz zu Sting gehört dieser Zustand bei mir nicht der Vergangenheit an . . .

Was mich wundert ist das dieses Thema – „Alt werden – Veränderungen im Alter bei Menschen mit HIV“ einerseits und Generell andererseits kein Thema ist. Ich weiß von Einigen das sie gesundheitlich angeschlagen sind. Das sie ihren Alltag meistern, sich nicht unterkriegen lassen, weiß ich – dessen bin ich mir sehr wohl bewußt. Heute weiß man das der Alterungsprozeß von Menschen mit HIV um einiges schneller verläuft als bei Menschen die nicht HIV  + sind. Dank der HIV Medikamente/Therapien werden wir heute älter, erreichen fast das Alter von Menschen die HIV negativ sind. Die Hilfsbedürftigkeit von Menschen mit HIV die sich in einer prekären Situation befinden wird in den nächsten Jahren zunehmen. Gleiches wird selbstverständlich leider in zunehmendem Maß auch für viele Menschen in unserer Gesellschaft zutreffen. Allerdings sehen wir uns im Gegensatz der Gesellschaft von der wir nun mal ein Teil sind im Alter mit diesem speziellen Faktor von HIV, oder being Schwul, Gay, Lesbisch, Transgender von Stigma, Diskrimierung und zunehmender Homophobie konfrontiert.

Mir vorzustellen das ich im Alter mal irgendwo werde leben müssen, wo ich wieder mit dieser Thematik konfrontert werde, daran will ich gar nicht denken.

Einer der Sätze die ich immer wieder höre wenn ich Freunde darauf anspreche. Und von Seiten der AIDS Hilfen kommt gar nichts oder nur wenig. Und wenn dann – wie immer Schwulen spezifisch. Alt werden ist kein ausschließliches Problem von Schwulen. Das scheint sich immer noch nicht in den meisten AIDS Hilfen rumgesprochen zu haben.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht das Programm der IAC in Washington 22. Juli – 27. Juli nach dem Thema „HIV und Alter – „Alt/älter werden mit HIV “ – „Bedürfnisse/Situation von Menschen mit HIV + und 70+“ zu durchsuchen.

Gefunden habe ich 3 – in Worten DREI – Workshops oder wie man das so nennt. Schwerpunkt ist Afrika, Stand der Dinge in den USA, anderen Länder, Gaybezogen, Girls, Prävention, Jugend etc. Dumm nur das gerade die heutigen jungen Menschen mit HIV dank der Medis in 60 Jahren sich mit dem Prozeß des „älter werdens“ konfrontiert sehen werden. Und wie wir wissen ist HIV a long time experience. Aber bis dahin is ja noch viel Zeit. Und bis dahin . . . die AIDS Hilfen werden es schon richten.

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2 Antworten zu Älter werden mit HIV

  1. termabox schreibt:

    Es ist ein sehr persönlicher Einblick in deine Lebensrealität, die du gibst. Respekt!

    Das Alter löst eben von alleine nicht die inneren Konflikte und den Unfrieden, die/den man in sich trägt. Im Gegenteil: das Älterwerden legt die wunden Punkte frei und fordert eine echte und ehrliche Konfrontation mit Verdrängtem. Ein mühsamer Weg, der auch schmerzvoll sein kann, bevor sich Frieden einstellt.

    Zunehmende körperliche Handicaps lassen keine Verdrängung der eigenen Endlichkeit und Vergänglichkeit mehr zu. Begrenzt zu sein steht dem starken Freiheitsbedürfnis des Menschen entgegen… Welchem leidenschaftlichen Menschen gefällt das schon?

    Es gibt für mich aber die Wahl zwischen zwei Perspektiven im Lebensrückblick:
    1. Defizitär-kritisch: Was habe ich versäumt, verpasst und nicht gelebt?
    oder
    2. selbstwertstärkend-versöhnlich: „Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben“ (Titel eines aktuellen Buches von Verena Kast)

    LG

  2. alivenkickn schreibt:

    Defizitär-kritisch: Was habe ich versäumt, verpasst und nicht gelebt?

    Dieses Bewerten – Vergleichen . . . das ist ein interessanter Aspekt den Du ansprichst. Ich erlebe es – ertappe mich immer mal wieder dabei das solche Gedanken nicht nur auftauchen sondern das ich deren Eigendynamik auf den Leim gehe und beim „bedauern“ verweile. Nicht lange aber es passiert. Zwar gelingt es mir solche Gedanken loszulassen, dennoch finde ich es interessant wahrzunehmen wie „Mensch“ funktioniert.

    selbstwertstärkend-versöhnlich: “Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben

    Ich wäre nicht der der ich heute bin – da wo ich heute bin wenn ich nicht so gelebt hätte wie ich gelebt habe. Unter dem Strich oder bilanzmäßig gesprochen ist es gut das es so ist wie es ist.

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