In-A-Gadda-Da-Vida – © Iron Butterfly
Seine Reise begann vor ungefähr 35 Jahren als ein Freund von ihm eines Abends mit einem verheißungsvollen Lächeln auf ihn zutrat und sagte: „He Alter, ich hab was für Dich“. Er öffnete seine Hand und ein kleines, grünes Stück marrokanisches Haschisch kam zum Vorschein. Es war die Zeit die man in den Medien als Flower Power bezeichnete. Einer Bewegung deren Anhänger – Hippies genannt – sich schon äußerlich deutlich von dem überwiegenden Teil der Bevölkerung unterschied. Man trug bunte Kleidung, die Haare reichten über den Hemdkragen sofern man es wagte – wollte man dazu gehören – noch eines zu tragen, verweigerte den Wehrdienst, hörte Schallplatten von Jimi Hendrix, den Doors, Janis Joplin, Santana und anderen angesagten Gruppen, schaute sich jeden Samstag den Beat Club im Fernsehen an und rauchte Haschisch.
Das Leben wie es die Erwachsenen führten, bezeichnete man als langweilig und spießig und viele Jugendliche wollten eines auf keinen Fall: So sein oder werden wie Ihre Eltern waren. Die Art und Weise wie Ihre Eltern miteinander umgingen empfanden viele von Ihnen als lieblos und deckte sich nicht mit ihren eigenen Vorstellungen von Liebe. Mit anderen Worten man rebellierte offen oder im eigenen Zimmer verborgen vor den Augen der Eltern gegen bestehende Normen und Zustände. Ihre Eltern waren ausnahmslos wohlhabend und die Pläne die sie für Ihre Sprösslinge hatten unterschieden sich deutlich von dem was die Jugendlichen selbst wollten. Zuallererst wollten sie nicht wie Ihre Eltern werden. Sie wollten ihren eigenen Weg gehen und selbst herausfinden was sie wollten. Und Haschisch gehörte einfach dazu.
In den letzten Wochen hatte er oft mit seinem Freund darüber geredet und ihn gefragt wie es den so ist – wie man sich fühlt – nachdem man was geraucht hat. „Is n geiles Gefühl Alter“, sagte er jedes Mal. „Wirst schon sehn“. Während beide durch den Wald liefen drehte sein Freund den Joint. „Bist Du sicher dass es mir meine Eltern nicht anmerken werden wenn ich was geraucht habe„, fragte er ihn? „Keine Angst Alter die merken nix. Glaub mir, der Einzige der was merken wird bist Du„. So ganz glaubte er ihm trotzdem nicht. Ehrlich gesagt hatte er n Haufen Angst vor diesem ersten Mal – doch jetzt n Rückzieher zu machen – davor hatte er noch viel größere Angst. Denn das würde bedeuten dass er ein Feigling ist. Einer, der wenn s drauf ankommt den Schwanz einzieht. Damit wäre er ein für allemal out und wäre in seinen und den Augen der Anderen genauso ein Spießer wie seine Eltern.
So wie man eine Zigarre anzündete – mit langsamen Zügen den Joint drehend und gleichzeitig ziehend – begann sein Freund mit dem Initiierungsritual. Bedächtig zog er an dem glimmenden Joint, inhalierte den Rauch, behielt ihn einen ewig scheinenden Moment in seiner Lunge um ihn dann in einer weißen nicht endend wollenden Wolke auszustoßen. Mit ernstem Gesicht reichte sein Freund ihm den Joint. Warte aber noch einen Moment bis die Glut kleiner geworden ist, sagte er. Sonst brennt der Joint schief und der Rauch ist noch zu heiß. Er wartete also einen Moment und dann nahm er einen Zug. Trotz all seiner Neugier, Vorstellungen und Hoffnungen auf das was kommen würde zog er ganz vorsichtig – um nicht zu sagen ängstlich – an dem Joint und atmete den Rauch sofort wieder aus. „Mann Alter, grinste ihn sein Freund an, du musst einen richtigen tiefen Zug machen. Es ist alles in Ordnung, du brauchst keine Angst zu haben“. Er tat wie ihm sein Freund geheißen hatte. Er inhalierte den Rauch, behielt ihn eine Weile in der Lunge und hustete ihn wieder aus. Boah ist das heftig keuchte er. Das ist nur das erste Mal sagte sein Freund mit grinsendem Gesicht. Mit der Zeit gewöhnst du dich daran. Abwechselnd zogen sie an dem Joint bis er zu Ende geraucht war. Komisch sagte er zu seinem Freund, ich merke nix. Das was er sich vorgestellt, hatte traf nicht ein. Beide machten sich auf den Weg nach Hause. Machs gut Alter sagte er, bis morgen. Alles klar. Bis morgen dann.
Als er vor dem Haus seiner Eltern stand fing sein Herz an wie wild zu schlagen. Eine unerklärliche Angst überkam ihn und er war sich sicher das sie merken – wissen würden das irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung ist. Er schloss die Tür auf und ging ins Wohnzimmer wo seine Eltern vor dem Fernseher saßen. Seine Ohren schienen zu glühen. Guten Abend sagte er. Ich gehe gleich in mein Zimmer. Ich muss noch einen Bericht schreiben den ich morgen in der Bank abgeben muss. Ist gut sagte sein Vater. Gute Nacht. Als er in seinem Zimmer war, zog er sich sofort aus, ließ den Rollladen herunter, legte sich in sein Bett und machte das Licht aus. Ihm war kotzübel und er hatte Angst wie noch niemals zuvor in seinem Leben.
Freak Out – © Frank Zappa
Sag mal hast Du schon eine neue Arbeitstelle, fragte ihn sein Vater? Nein antwortete er ihm. Wieso fragst Du? Nun sagte sein Vater ich habe hier dein Kündigungsschreiben zum 31. August gefunden und morgen ist schließlich der 1. September. Da wird man ja noch mal fragen dürfen. Wie soll es den jetzt weitergehen, hmm? Weiß ich jetzt noch nicht sagte er und zuckte mit den Schultern. Irgendwas wird sich schon finden. So so, irgendetwas wird sich also finden. Von alleine was? Sein Vater konnte manchmal sehr jähzornig werden. Dein Sohn – damit meinte er seine Frau – bringt mich noch zur Weißglut brüllte er durch die Wohnung, rannte in die Küche, griff sich einen schweren Edelstahltopf und holte zu einer werfenden Bewegung aus. In Panik rannte er in sein Zimmer, verschloss die Tür, griff sich ca. 150 gr Haschisch und ein paar hundert Mark die er im Kleiderschrank versteckt hatte, zog sich hastig eine Jacke über, öffnete das Fenster und sprang aus dem Fenster hinaus. Besessen und von Angst getrieben rannte er solange bis er irgendwann mitten im Wald zum stehen kam. Tränen der Angst und Wut rannten ihm über s Gesicht. Ihr habt mich heute das letzte Mal in meinem Leben gesehen, dachte er. Ich schwör s Euch. Für mich seid ihr gestorben. Endgültig. Mit der Hand wischte er sich die Tränen aus seinem Gesicht.
Langsam kam er zur Ruhe und überlegte sich was er jetzt machen sollte – wohin er gehen sollte. Vor einem Jahr hatte er durch seinen Freund Menschen kennen gelernt die genau so waren wie er gerne sein wollte. Einer von Ihnen – er war wesentlich jünger als er – war schon lange von zu Hause abgehauen. Er hatte die Schule abgebrochen und lebte in einer Ladenwohnung in Frankfurt. Zu ihm fuhren sein Freund und er seit einem Jahr an jedem Wochenende. Sie waren eine verschworene Clique geworden. Das Ritual war immer das gleiche. Man traf sich am Samstagnachmittag bei ihm, rauchte Wasserpfeifen, und spielte auf Bongos zu den LP`s von von Jimi Hendrix, Santana, Greatest Show on Earth, Hoodoo Man von Birth Control und anderen Gruppen aus dieser Zeit. Abends ging man dann gemeinsam ins Zoom – der angesagteste Laden überhaupt. Alles was man machte – machte man gemeinsam. Von der Kleidung angefangen – man trug bestickten Afghanhemden, selbstgeschneiderten Afghanhosen und langen bis zum Boden reichenden Afghanmänteln bis hin zu den langen Haaren. Jeder trug das gleiche Outfit. Diese Gemeinsamkeit drückte ihr anders sein nach außen aus – zeigte dem Rest der Bevölkerung dass sie nichts mit ihr zu tun haben wollte, das sie deren Normen und Verhalten ablehnte. Und natürlich gehörte Haschisch rauchen und dealen dazu. Denn ohne Geld kam man auch in der Hippiebewegung nicht weit. Sein größter Wunsch war es zu ihnen dazu zu gehören. Aber irgendwie hatte er immer das Gefühl ein Außenseiter zu sein. Wenn alle rauchten und anschließend in ekstatische Zuckungen fielen– fühlte er sich nach dem rauchen eines Joints oder einer Wasserpfeife meistens beschissen. Er hatte Paranoia ohne Ende oder ihm war kotzübel. Aber das würde und konnte er natürlich niemals zugeben. Er wollte dazugehören – und das um jeden Preis.
Im Frühjahr dieses Jahres hatte er einen Kredit aufgenommen und sich von dem Geld 1 Kilo Haschisch gekauft. Auf diese Weise so glaubte er würden ihn die Anderen akzeptieren – würde er dazu gehören. Aber außer das er für eine Zeit immer was zu rauchen dabei hatte – änderte sich nicht viel für ihn. Was einer besaß teilte man mit allen. So dachte und so handelte er. Die anderen auch – aber nur bis zu einem gewissen Grad – bis zum Geld. Doch das ist ihm damals nicht bewusst geworden. Schulden in Höhe von 4.000,– DM, aufgenommen bei einem Kredithai, jeden Monat Raten in einer Höhe die er nicht mehr bezahlen konnte – bzw. es war ihm egal, keine Arbeit, und keine Wohnung. Das war der Punkt an der angekommen war. Er fand das völlig in Ordnung. Seine Freunde würden ihn schon nicht im Stich lassen. Schließlich war er ja jetzt einer von Ihnen geworden.
Peace, Love and Understanding – © Nick Lowe
As I walk on
This wicked world
Searchin‘ for light in the darkness of insanity.
I ask myself
Is all hope lost?
Is there only pain and hatred, and misery?
And each time I feel like this inside,
There’s one thing I wanna know:
What’s so funny ‚bout peace love & understanding?
What’s so funny ‚bout peace love & understanding?
Dieses Motto wehte über der Hippie Zeit wie eine Fahne im Wind. Ok. Der Song wurde zwar erst 1974 geschrieben aber das änderte nichts an der Tatsache dass es so war. So schien es Ihnen damals wenigstens.
Man suchte und probierte – wir schreiben das Jahr 1971 – neue Formen des Zusammenlebens und des Miteinanderumgehens aus. Das heißt alle betraten sie Neuland. Keiner wußte wie etwas zu sein hatte. Alles was sie wussten – sie wollten nicht so werden wie Ihre Eltern. Niemand war da der Ihnen sagen konnte wo s lang geht. Sie mussten alles selbst herausfinden. Und gerade dieses Neue, dieses Unbekannte war es was ihn faszinierte. Das sie sich auch Zwänge und Normen auferlegten – das war ihm damals nicht bewusst.
Es fing schon morgens nach dem Aufstehen an. So wie Andere sich als erstes die Zähne putzen so versammelten sie sich als erstes in einem Raum um den Tag mit einer Wasserpfeife zu beginnen. Sie setzten sich im Meditationssitz auf den Boden und bildeten einen Kreis. In der Mitte des Kreises stand die Wasserpfeife. Einer zerbröselte andächtig ein Stück Haschisch, vermischte es mit etwas leichtem Zigarettentabak während die Anderen andächtig mit geradem Rücken dasitzend „Om, Om, Om “ rezitierten. Alle schienen Gleichmut zu verströmen während ihm der Anblick der Wasserpfeife und der Gedanke daran ziehen zu müssen einfach nur Angst machte. Doch das konnte er weder offen zugeben noch zeigen. Also spielte er dieses Spiel mit. Wenn die Pfeife zu ihm kam und er nur einen kurzen, zögerlichen Zug nahm dann geschah es, das einer aus dem Kreis sagte: „Hey Alter, nun zieh doch mal richtig“. Gerne wäre er aufgestanden und hätte sich in sein Zimmer verkrochen, aber das wäre einem Sakrileg gleichgekommen. Also blieb er solange sitzen bis ein Anderer aufstand. Wäre er zuerst aufgestanden dann hätte er das Gefühl gehabt etwas Falsches zu tun. Wann immer aber einer der Anderen aufstand dann war es richtig.
Sein Selbstwertgefühl – sein Selbstbewusstsein war gleich Null. Das es überhaupt so etwas gab, dessen war er sich nicht bewusst. Woher auch. Die Erziehung die man ihm mit auf den Lebensweg gab war die Erziehung die seine Eltern wiederum von deren Eltern erhalten hatten. Gehorsam und Anpassung. Kein Widerspruch sondern das zu tun was man ihm auftrug. Schließlich hatte sich dieses System bewährt. Die späten 50ger und 60ger Jahre – die Jahre des Wirtschaftswunders waren ja der manifestierte Beweis für diese These. Er erinnerte sich noch gut an einen Ausspruch seines Vaters anlässlich der Diskussion welchen Beruf er erlernen wolle jetzt wo er das Internat verlassen hatte. „ Ich würde gerne einen Beruf erlernen der etwas mit meinen Gefühlen zu tun hat. Einen Beruf indem ich meine Gefühle zum Ausdruck bringen kann“ sagte er. „Gefühle, Gefühle“, spöttelte sein Vater. „Von Gefühlen kannst Du Dich nicht ernähren. Gefühle sind nichts Greifbares“. „Hier“, sagte er und fasste einen Stuhl und den Esstisch an, „Das ist etwas Greifbares, Reelles.“ „Davon kannst Du Dich ernähren“. „Gefühle, wenn ich so was schon höre“ sagte sein Vater kopfschüttelnd und verließ das Esszimmer. Als er dieses hörte fühlte er sich wie vor den Kopf gestossen.
So you want to be a rock and roll star?
Then listen now to what I say.
Just get an electric guitar
Then take some time
And learn how to play.
And with your hair swung right,
And your pants too tight
It’s gonna be all right.
© Byrds
Sex, Drug s and Rock n Roll – das war s was sie wollten. Und dafür war er bereit alles zu tun. Unter der Woche lebten Sie in einem Haus auf dem Land. Am Wochenende und am Pay Day – der letzte Tag im Monat an dem die in Deutschland stationierten Amerikaner ihren Sold erhielten, lebten sie in einer Wohnung in der City und dealten mit Haschisch. Auf diese Art und Weise hatten sie sich eine Musikanlage kaufen können. Gibson Les Paul, Fender Strato Caster, eine Super Gesangsanlage, Rickenbaker Bass, Akkustische Gitarren von Martin und Guild, Congas, Marshall und Orange Verstärker – alles nur vom Feinsten.
Unter seinen Freunden war ein begnadeter Gitarrist. Er hingegen träumte nur davon. Jedes Mal wenn er an die Congas ging und anfing zu spielen, bekam er von den Tönen, den Sound den er erzeugte eine solche Paranoia, das er völlig verstört sofort wieder aufhörte. Er war nicht in der Lage sich den Tönen, dem Sound den er den Congas entlockte hinzugeben. Einmal, einmal gelang es ihm. Ein Freund und er rauchten gemeinsam eine Wasserpfeife. Sein Freund nahm die Bassgitarre, er ging ans Schlagzeug und sie fingen an zu spielen. Sie spielten im wahrsten Sinne des Wortes. So wie kleine Kinder sich einen Ball zuwarfen, so spielten sie sich Melodiestücke zu. Sie griffen sie auf, entwickelten sie weiter und warfen sie sich wieder zurück. Es war ein Geben und Nehmen. Und es war das erste und letzte Mal das er sich auf dieses Spiel einlassen konnte, das er sich jemand so tief öffnen konnte.
Als sein Freund aufhörte zu spielen und die Gitarre weglegte, kam es ihm vor als hätte man ihn irgendwo in der unendlichen Weite eines tiefschwarzen, kalten Raumes alleine gelassen. Er fühlte eine Angst in sich aufsteigen wie er sie nie vorher gespürt hatte und die ihn seitdem nie wieder losließ.
The Needle and the Damage done – © Neil Young
Als er sich entschieden hatte mit dem bürgerlichen Leben zu brechen war er sich auch der Folgen und Konsequenzen bewusst die der Verkauf von Haschisch mit sich bringen konnte. Das änderte sich aber schlagartig als die Polizei bei ihm zu Hause 1 Kilo Haschisch fand und sie ihn verhafteten. Nachdem man Ihn nach einer Nacht aus dem Polizeipräsidium entließ stand für ihn fest, dass er nicht ins Gefängnis gehen würde. Ihm drohte eine Gefängnisstrafe von mindestens 1 Jahr und darauf hatte er keinen Bock. Eines war ihm klar – er wollte raus aus Deutschland. Und das lieber heute als morgen. Doch die Sache hatte nur einen Haken: Er war völlig pleite. Die Leute die zu ihnen in die Wohnung kamen um Haschisch zu kaufen vertrauten Ihnen. Meistens lief der Deal so ab das einer sich die Kohle im voraus geben ließ, weg ging und nach einer halben Stunde mit der entsprechenden Menge Haschisch zurückkam. Diesmal lief der Deal allerdings etwas anders ab. Er ließ sich das Geld geben und kam nicht mehr zurück. Am nächsten Tag war er in Amsterdam.
Er wachte auf und schaute durch das Fenster hinaus. Im novembertrüben durch Nieselregen gebrochenen Licht der Straßenlampen das sich in der Brouwerskracht spiegelte sah er dass es noch dunkel war. Na dachte er bei sich, es scheint noch sehr früh am Morgen zu sein, drehte sich um, wickelte sich in ein abgerissenes, klammes Stück Teppich das er vom Boden des halbversunkenen Hausbootes abgerissen hatte um es als Decke zu benutzen und schlief wieder ein. Als er das nächste Mal die Augen aufschlug war es draußen immer noch trüb und dunkel. Sein erstes Gefühl war das er nur ein paar Stunden geschlafen hätte. In Amsterdam im November sahen und fühlten sich die Tage alle gleich an.
Als er sich aufsetzte und aufstehen wollte musste er würgen so als wenn er gleich kotzen müsste. Kalter Schweiß lief ihm über den Rücken. Scheiße sagte er. Ich hab den ganzen Tag verpennt und HABE KEINE KOHLE. Auf wackligen Beinen tastete er sich durch die halbdunklen Räume die noch nicht unter Wasser standen und in die nur teilweise das Licht einer auf der Strasse stehenden Laterne fiel. Schließlich gelangte er durch die aufgebrochene halboffen stehende Tür nach draußen. Nasskaltes Novemberwetter schlug ihm wie ein Peitschenschlag entgegen. Frierend zog er seine Jacke enger an sich. Seine schweißnassen Haare klebten ihm im Gesicht. Scheiß Turkey.
Es war ungefähr 19.00 Uhr abends und die Chance um diese Zeit noch einen Deal zu machen um sich 25 oder 50 Gulden für Dope zu verdienen waren gleich Null. Von Mai bis Ende September wäre es kein Problem. Da wimmelte es nur so von Touristen. Du brauchtest Dich nur auf den Platz vor der Centraal Station zu stellen und hast einfach jeden angequatscht: He Alter willst du gutes H oder Koks? Innerhalb kürzester Zeit hattest Du einem Deal laufen. Aber Amsterdam im November das war die Hölle.
Mit glasigen, tränenden Augen ging er den Nieuwendijk entlang, eine der Einkaufsstrassen die vom Bahnhof rechts parallel zum Damrak lief und nach dem Dam in die Kalverstraat überging in Richtung Zeedijk. Die Geschäfte hatten bis 20.00 geöffnet aber bei diesem Wetter war kein Schwein unterwegs. Vor einem China Restaurant stand ein älteres Ehepaar das die Speisekarte im Fenster studierte. Als er näher kam sah er dass es Touristen waren und – er traute seinen Augen nicht. Da stand doch der Alte vor dem Restaurant, hatte mehrere 100 Gulden Scheine in der Hand und zählte sie.
Wie hypnotisiert ging er einem Zombie gleich mit ausgestreckten Armen auf den Alten zu: I need your Money. I need your Money murmelte er und griff nach dem Geld um es dem alten Mann zu entreißen. Doch dieser hielt es fest und dachte nicht daran es los zu lassen. Schließlich wälzten sich beide auf der regennassen Strasse und kämpften um das Geld. Mit wutverzerrtem Gesicht verteidigte der Alte schnaufend sein Geld doch der Turkey setzte Kräfte frei denen der alte Mann letztendlich nicht gewachsen war. Mit einem heftigem Ruck riß er ihm eine Banknote aus der Hand, und rannte los.
Als er den Damrak überquert hatte und in der Oudebrugstraat war lief er langsam. Jetzt nur nicht auffallen sagte er zu sich. Hier begann der Red Light District und es wimmelte nur so von Polizisten. Er schaute in seine Hand und sah dass er einen zerknitterten 100 Gulden Schein in seiner Hand hatte. Geil dachte er bei sich, das gibt mindestens 6 Bolletjes – 3 Kugeln H und 3 Kugeln Koks. Mit einem Male war sein Turkey verflogen. Doch als er den Schein genauer betrachtete stellte er fest dass eine Ecke abgerissen war. Und es war genau die Ecke auf der die Nr. der Banknoten stand. Sie war wertlos. So eine Scheiße fluchte er vor sich hin. Jetzt hast du Kohle und kannst nichts damit anfangen. Wegen dieser Scheiß abgerissenen Ecke würde ihm keiner etwas verkaufen.
Er begann den Schein so gut es ging glatt zu streichen und ihn in der Mitte zu falten. Als er auf dem Zeedijk angekommen war schaute er sich nach einer Gruppe von Surinamern um die Dope verkauften. He Alter willst du Dope kaufen fragte ihn einer aus der Gruppe. Mittlerweile hatte er einen Blick dafür bekommen wer Dope hatte und wer Touristen nur Dreck andrehte. Ja sagte er. Ich hab 100 Gulden und will 3 Bolletjes Koka und 3 Bolletjes H. Er zeigte ihm das Geld. Ne sagte einer, ich gebe dir 5. Ok, dann gib mir 2 Koka und 3 H. Ein Surinamer gab ihm die 5 Kugeln und er gab einem Anderen den 100 Gulden Schein. He Alter, sagte dieser. Was soll das? Mit dem Schein kann ich nix anfangen. Der Surinamer hielt ihm die 100 Gulden hin: Los gib das Dope zurück. Genauso hatte er es sich vorgestellt. Wegzurennen dazu war er zu schwach noch hatte er eine Chance dieser Gruppe zu entkommen. Also ergriff er die Hand eines Anderen in der Gruppe, gab diesem die 4 Bolletjes und nahm den 100 Gulden Schein. He Mann Ich hab dir 5 gegeben sagte der von dem er ursprünglich das Dope bekam als dieser von dem Anderen dem er sie in die Hand drückte entgegennahm. Was willst du sagte er, Ich habe ihm 5 gegeben und deutete auf denjenigen dem er die 4 Kugeln gegeben hatte.
In einer Gruppe von mehreren Surinamern waren immer zwei oder drei die das Dope hatten während ein anderer das Geld bei sich hatte. So war wenigstens das Geld sicher falls die Polizei alle festnehmen würden. Es war an der Tagesordnung das sich die Dealer gegenseitig abrippten und diesmal hatte er sie abgerippt.
Langsam lief er davon die eine Kugel Heroin fest in seiner Faust umklammernd.
In all diesen Jahren seiner rastlosen Suche seine Eltern hatte oder konnte er nie vergessen. Es war ein merkwürdiges Band das da existierte. Je länger er unterwegs war umso öfter musste er an sie denken. Was immer er auch tat – wie viele Drogen oder Alkohol er auch zu sich nahm – mit der Zeit wurde das Gewahrsein an seine Eltern immer stärker. Hin und wieder wenn er alte Weggefährten von einst traf wunderten diese sich das er noch lebte. Die meisten waren nämlich in dem Glauben das er schon lange tot sei.
Je älter er wurde umso müder wurde er und so geschah es zwangsläufig des sein Weg ihn zu seinen Eltern führte. Er war ein Schuldgefühl das ihn zu Ihnen führte. Anfangs konnte er es nicht als solches benennen – es war mehr ein Gefühl von Sorge um Sie. Sorge die sie sich um ihn machten – auch das Wissen das sie alt geworden sind und das Sie auf Grund seines Lebensweges leiden würden.
© Wolfgang Kirsch
Und diese Jugendgeneration von damals ist die Elterngeneration Jahre später. Was will man von denen erwarten. Dass sie fähig sind, Kinder zu erziehen?
Die Auswirkungen sind doch überall sichtbar. Deren Kinder, sofern sie welche bekommen haben, sind die Elterngeneration von heute. So setzt sich alles fort.
Wir beklagen heute Fehlentwicklungen der Jugend-Komasaufen-Drogen- Gewalt-Versagen in den Schulen – nicht ausbildungsfähig- und vieles mehr.
Wundert das jemanden?
Ein Sprichwort sagt: Wie die Alten summen, so zwitschern auch die Jungen.
Allerdings, mit Selbstmitleid kommt da auch keiner weiter.
Ärmel hochkrempeln und das Leben meistern, keiner muß im Sumpf bleiben. Keiner muß das Vorleben der Alten fortsetzen, wenn er denn will. Selbsterziehung wäre hilfreich.
Jedenfalls was die 68 er Generation eingefädelt hat, wird noch Jahre dauern, bis dieser Mief verschwindet.
Diese Generation wandert gerade ins Rentenalter, jetzt haben sie Zeit, über all das nachzudenken., was sie der Welt beschert haben. Vielleicht kommt ja die große Weisheit noch.
Man stelle sich vor, diese Haltung hätten alle praktiziert-was wäre dann? Dann würde wohl keiner dieser Hippis eine Rente bekommen, denn diese muß erarbeitet werden, nicht erkokst.
die Wasserpfeife erzeugt Rauch und Haschisch erzeugt den Rausch, aber kein Bruttosozialprodukt.
Deine Lösung für Menschen die nicht in Dein Weltbild passen . . . . , ach nein das möcht ich mir dann doch lieber nicht vorstellen . . .