Die große Familie – Famille Nombreuse


Gestern habe ich mir die CD „Famille Nombreuse“ von Les Negresses Vertes gekauft. Als ich das erste mal ihre Musik hörte und ein Video von ihnen sah war ich wie weggeblasen. Von ihrer Musik geht eine Lebensfreude aus die besonders in ihren Videos zum Ausdruck kam. Eine Gruppe wilder Typen die ein starkes Band zusammenschweißte. Eine MehrkindFamile, eine große Familie die zusammenlebt, zusammen Musik macht, zusammenhält, eine Familie die von einem starken Band zusammengehalten wird. So kam es mir damals vor. Ihre Musik transportiert auch heute noch dieses Gefühl.

Eine „selbstgewählte“ Famile die viele Gemeinsamkeiten verbindet. Eine „selbstgewählte“ Familie wo man füreinander da ist.

Illusion? Es war einmal . . .?

Was ist wenn das nicht der Fall ist? Was ist wenn Arbeit eine Famile in alle Winde verstreut? Was ist wenn Familien aus welchen Gründen auseinanderbrechen? Was ist wenn eine Familie nur aus wenigen Menschen besteht? Die Großfamilie gibt es in unserem kulturellen Breitengrad nur noch selten.

Heute sucht man sich (s)eine neue Familie. Regenbogenfamilien, Mehrgenerationenhäuser sind eine neue Form des „Zusammen Leben“. Neue Formen des Zusammen Leben, des zusammenlebens, Formen die nicht den herkömmlichen (christlichen? heteronormativen?) Traditionen entsprechen haben einen schweren Stand.

Vor Jahren arbeitete ich in einem Projekt für Obdachlose. Die Idee die man hatte und versuchte umzusetzen war bezahlbaren Wohnraum für Obdachlose zu schaffen. Architektur Studenten der TU Darmstadt entwarfen Pläne für 2 1/2 Zimmer Häuser die bezahlbar waren. Für dieses Projekt gab es große Unterstützung in Darmstadt, sodaß genügend Geld für bezahlbare „Bauplätze“ gesammelt werden konnte. Das Echo in der Presse Regional wie Überregional war sehr groß und vielversprechend. Als es um die Umsetzung ging einen geeigneten „Bauplatz zu finden“ sah die Sache allerdings auf einmal anders aus. Viele Gemeinden fanden die Idee ganz toll, „. . . aber bitte (keine Obdachlosen) nicht in unserer Gemeinde“.

An dieser Haltung hat sich in unserer Gesellschaft bis heute nicht viel geändert. Da kann ein Dorf, eine Gemeinde, eine Strasse in einem Stadtteil einer Stadt zerstritten oder auch begeistert sein bis zum geht nicht mehr, wenn eine RegenbogenFamilie sich entscheiden würde in diesem Dorf, dieser Gemeinde, dieser Strasse zu leben dann ist man sich in (s)einer gemeinsamen Ablehnung einig. „Regenbogenfamilien – Regenbogenhaus“ „Hier“ ? „In unserer Strasse ein Haus für Schwule, Lesben, Transgender, Menschen mit HIV“? Eine gute Idee aber bitte nicht in unserer Strasse.

Es gibt nicht wenige Menschen mit HIV die in sozialer Isolation leben. Wie es in der Schwulen und Lesben Scene aussieht weiß ich nicht . Was ich aber immer wieder erfahre das ist das „Soziale Isolation“ auch hier ein Problem/Thema ist.

Ich erlebe dieses „zurückgeworfen sein auf mich“ zur Zeit. Meine natürliche unmittelbae Familie ist eine ZweiPersonenFamilie. Meine soziales Netzwerk, meine um es vorsichtig auszudrücken „Wahlfamilie“ ist bedingt durch meinen Umzug noch sehr grobmaschig. Das ich zur Zeit Fußlaufmäßig – bewegungsmäßig ausgeknocked bin ist zwar ein temporärer Zustand der sich aber täglich auswirkt. Auf der anderen Seite bin ich in diesem „isoliert sein“nicht der Einzige. Aus der Isolation rauszukommen ist solange man mobil ist keine große Schwierigkeit. Je länger man aber eine Gewohnheit lebt umso schwieriger wird es diese Gewohnheit/Verhalten loszulassen. AIDS Hilfen können dies nicht auffangen.

Gestern habe ich für meine Mutter ein paar Schuhe gekauft. In dem Geschäft waren zwei bildhübsche Frauen aus Asien – Singapur. Eine von Ihnen stand vor einem Spiegel. Jeder Fuß steckte in einem anderen Schuh. Ich schaute ihre Füße an. Sie schaute mich an und frage mich auf englisch welcher Schuh der „schönere“ sei, ihr besser steht. Jeder Schuh auch wenn er noch so ausgetreten wär hätten zu ihrem Füßen gepaßt. „Der linke Schuh“ sagte ich. Auf ihrem Gesicht konnte ich ihre Unentschiedenheit sehen. So zog sich unser Spiel eine Weile hin bis mir die Verkäuferin die Schuhe für meine Mutter gab.

Ich habe kein Problem auf Menschen zu zugehen, Menschen anzusprechen. Aus Gesprächen weiß ich das „es nicht viele Menschen gibt die so offen wie sie sind“ wie mir ein Taxifahrer unlängst sagte. Die Deutschen so sagte er sind sehr verschlossen.

Inwieweit es zu den Aufgaben von AIDS Hilfen gehört Lebensraum für neue Wohnformen zu finden, zu schaffen, insbesondere unter dem Aspekt das „Älter werdens“ stelle ich in Frage. Was alternative Wohnformen betrifft, von der Polititk wird da wenig kommen. Unsere Politiker jedweder Couleur sind zu sehr mit sich selbst, mit der Versorgung und Sicherung der eigenen Bedürfnisse beschäftigt. Es wird mehr eine Frage der Selbsthilfe, des sich selbst organisieren sein bzw werden.

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4 Antworten zu Die große Familie – Famille Nombreuse

  1. Patrick schreibt:

    Das besondere an dieser Gruppe ist das die Musik von Hand gemacht ist…richtige Musiker an richtigen Instrumenten…. Der lateinamerikanische Hauch dazu und der Sommer bzw. die Leichtigkeit kann kommen….

    Isolation kommt in allen Schichten vor….sei es die alte Frau von Nebenan oder der Obdachlose unten auf der Straße. Dazu kommen (dauerhaft)Kranke, Eigenbrödler, usw… Es ist keine Erscheinung bei bestimmten Gehalts- oder Bildungsschichten. Ich kenne genauso reiche, jüngere Ehefrauen die in ihrer „goldenen“ Isolation leben…wo das zufriedene Lächeln mit dem Hereinkommen anderer Leute auf’s Gesicht gezaubert wird und sobald sie wieder alleine ist verschwindet es genauso schnell wieder…

    Und dies zu ändern kann derjenige nur selber übernehmen.. Da bringt ein staatliches oder Projekte anderer Institutionen wenig ….

    Unterstützung psychologischer Art kann vielleicht hilfreich sein, muss aber auch von demjenigen selber ausgehen.

  2. alivenkickn schreibt:

    Um aus der Isolation rauszukommen bedarf es des eigenen Handelns. Ja wenn man stark und selbstbewußt ist. Viele sind dazu in der Lage. Aber nicht alle. Depressionen sind eine der mit HIV einhergehenden Krankheitsbilder. Was das Thema alternatives Wohnprojekt – Wohnform betrifft, nun Schwule, Lesben, Transgender, HIV Positive sind per se Stigma, Diskriminierung, Homophobie und ggf Kriminalisierung ausgesetzt. Davon ist Johann und Johanna Mustermann nun mal nicht betroffen. Mit einem einfachen „Da mußt Du selbst rauskommen“ ist es eben nicht getan.

    • Patrick schreibt:

      Nunja muss ich dir auch recht geben aber dann sollten es eher private Projekte sein wie staatliche oder rein von der AH… und vielleicht nicht nur jede Gruppe für sich… Warum nicht mischen? Menschen die vielleicht verschiedene Hintergründe haben aber das gleiche Problem(Isolation) kommen vielleicht besser miteinander aus wie strikt nach Krankheit oder Schicksal getrennt. Das wäre mir zu ghetto-mässig.. alle Positiven dahin, alle Alten dahin und die Obdachlosen in ne andere Ecke. Ich glaube daß es einem „Alten“ egal ist ob sein Nachbar schwul , positiv oder ein ehemaliger Obdachloser ist, hauptsache man kommt aus der „Isolierhaft“ raus. So kann dann eine Gemeinschaft wachsen. Aus verschiedenen Schichten zusammenfügen….

  3. alivenkickn schreibt:

    Innerhalb der Community i.e. Schwule, Lesben, Transgender, Menschen mit HIV, Freunde von Ihnen, gibt es die gleichen Probleme wie in der Gesellschaf. Zusätzlich jedoch sieht sich die Community, wie weiter oben erwähnt, mit Stigma, Ablehnung, Diskriminierung, Kriminamlsierung der Gesellschaft konfrontiert. Das ist eine gesellschaftliche Realität. Das ist „Unser Alltag“

    Insofern geht es auch nicht nur um welche „WohnForm/Lebensform“ und mit welchen „Gruppen“ man im Alter zusammen leben möchte sondern um das was „alt werden“ für uns bedeutet und beinhaltet. So entspricht die Lebenserwartung von Menschen mit HIV mittlerweile dank der Medikamente denen von „Johann und Johanna Mustermann. Mit dem „älter werden“ gehen möglicherweise körperliche, geistige, seelische – gesundheitliche Einschränkungen einher.In unserem Fall weiß man mittlerweile das wir in erhöhtem Maß davon betroffen sein werden/könnten. In einem Altenpflegeheim seinen Lebensabend wie man so sagt verbringen zu müssen so wie sie zur Zeit konzipiert sind ist alles andere als das was sich jeder wünscht. Ich erlebe es zur Zeit unmittelbar und direkt. Die Pflegesituation wie sie sich zur Zeit darstellt ist im Grunde genommen völlig inakzeptabel. Es ist mehr ein „Verwaltet“ werden als ein „Füreinander – Miteinander“. Selbstbestimmung paßt da nicht in das Bild. Lebt man alleine zu Hause in keinem oder einem kleinen „Familienverband“ so sind gerade Angehörige auf Dauer völlig überfordert oder können sich eine menschenwürdige Pflege nicht leisten. Auf die Situation wie sich Leben im Alter präsentieren kann, das ist für Viele etwas abstraktes. Auch hier ist Selbsthilfe – Selbstorganisation durchaus möglich. Diesem Thema sollte man sich stellen solange man noch in der Lage ist. Andernfalls wird man auf Angebote zurückgreifen müssen die im Grunde genommen Niemand freiwillig wählen würde.

    Ich für meinen Teil lebe im Alter lieber mit Menschen aus der sogenannten Community in selbstgeschaffenen „Wohnformen“ zusammen als mit denen die die „Gesellschaft“ bereithält. Wie uns die Gesellschaft begegnet das erfahren wir täglich. Das brauche ich im Alter nicht noch einmal.

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