Der Zwinger, die Frauenkirche, Dresdner Christstollen und dann gibts auch in Dresden Zahnärzte . . . (akt 1)


Der früher unter der Bezeichnung Zahnarzthelfer/Zahnarzthelferin bekannte Beruf wird inzwischen unter dem Namen Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r geführt.

Berufsbild: Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r Quelle: BundesAgentur für Arbeit

Aufgaben und Tätigkeit (Kurzform)

In Zahnarztpraxen sind Zahnmedizinische Fachangestellte am Empfang die ersten Ansprechpartner, z.B. für Patienten, Krankenkassen oder Labors. Sie vereinbaren und verwalten Termine, begrüßen Patienten und nehmen deren Daten auf. Im Behandlungszimmer bereiten sie Instrumente und Materialien vor und assistieren bei Untersuchungen und Behandlungen. Auf Anweisung des Zahnarztes oder der Zahnärztin bereiten sie Füllungen oder Abdruckmassen für Gebissabdrücke vor und fertigen Röntgenaufnahmen an. Sie klären Patienten über die Möglichkeiten der Karies- und Parodontalprophylaxe auf und leiten sie zur Mundhygiene an. Nach einer Behandlung reinigen sie die Arbeitsflächen und sterilisieren die zahnmedizinischen Instrumente. Sie dokumentieren Behandlungsabläufe, erfassen die erbrachten Leistungen für die Abrechnung mit Krankenversicherungen und Labors und erledigen den Schriftverkehr. Quelle: BundesAgentur für Arbeit

Auf das Berufsbild – die Ausbildung wie auch Weiterbildung werde ich weiter unten genauer eingehen.

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In Dresden gibt es ca 232 Zahnarztpraxen. Während der letzten Tage habe ich mit 145 Praxen telefoniert und mit den Damen i.e. Zahmedizinischen Fachangestellten in 129 Praxen gesprochen. Mein Intro um ins Gespräch bzw an die nötigen Informationen zu kommen entsprach im Tenor den vorhergehenden „Geschichten“:

“Guten Morgen. Mein Name ist „Realname“. Ich werde Ende Juli nach Dresden ziehen weil ich ab August in Dresden arbeiten und auch wohnen werde. Aus diesem Grund befinde ich mich wieder einmal auf der üblichen Arzt Odysee. Der Grund warum ich heute bei Ihnen anrufe ist der das ich seit 25 Jahren HIV Positiv bin. Haben Sie ein Problem mit mir wenn ich morgens aufwache und feststelle das ich ein Problem mit meinen Zähnen habe?

Das war der „Opener“ um mit den Damen ins Gespräch zu kommen. Alle Gespräche die ich führte waren ausnahmslos sehr angenehm. Die Bandbreite reichte von sachlich informell bis hin zu entspannt geführten Gesprächen.

ZahnarztDresden149 Zahnärzte hatten „Kein Problem mit der Behandlung von Menschen mit HIV“. So die Aussage der ZmedF (Zahnmedizinische Fachangestellte). Nach den ersten 30 Anrufen habe ich dann meine Taktik insofern geändern das ich die Rückmeldung „Kein Problem“ interpretiert und nachgehakt habe:

D.h. sagte ich, „Wenn ich am Morgen mit Zahnschmerzen aufwachte, dann komme ich zu Ihnen und bringe eine entsprechende Wartezeit mit. Die Termine zu den zweimaligen  Vorsorgeuntersuchungen pro Jahr mache ich mit Ihnen am Telefon aus. Ich bekomme dann von Ihnen einen Termin so wie es Ihnen in ihren Tagesablauf paßte. Oder werde ich an den berühmten Randterminen (Vor der Mittagspause bzw am Ende der Sprechstunde) behandelt?“

Ab diesem Zeitpunkt unterschieden sich die Geister. Unter dem Strich ist es bei 49 Zahnärzten von den 129 die ich erreicht habe bei dem „Kein Problem – (Terminvergabe im Laufe des Tages) geblieben. Einige Damen jedoch erklärten auf mein Nachhaken das man entweder vor der Mittagspause oder am Ende der Sprechstunde – sprich den berühmten Randterminen 39 an der Zahl – behandelt wird. „So wie es eben üblich ist„. Um die oftmals jungen Damen am Telefon nicht in Verlegenheit zu bringen habe ich mich dieses mal der Kommentierung wie auch Erklärungen enthalten .

Hier verweise ich der Einfachheit halber noch einmal auf eine Info der Ausgabe 2011_10 des Zahnärzteblatt von Baden – Württemberg in einem Bericht  Behandlung von Patienten mit HIV-Infektion (Teil 2) – Keine Angst vor HIV :

Kaum etwas hält sich so hartnäckig wie die Unsicherheiten und Ängste vor einer Infektion mit dem HI-Virus bei der zahnärztlichen Behandlung. In den meisten Fällen sind fehlende Informationen der Grund. Heute hat die Medizin enorme Fortschritte in der Behandlungsfähigkeit erzielt. Die sich in ärztlicher Behandlung befindlichen HIV-Infizierten haben eine extrem geringe Viruslast. Infektionskrankheiten wie HBV und HCV stellen in der zahnärztlichen Praxis eine weitaus größere Infektionsgefahr dar. Doch immer wieder berichten HIV-Patienten, dass sie nicht behandelt werden, wenn sie in der Zahnarztpraxis wahrheitsgemäß ihre HIV-Infektion angeben. Zu viel Angst vor einer Ansteckung scheint der Grund der Ablehnungen zu sein.

Keine Sonderbehandlung. Bei Einhaltung der Hygienevorschriften stellt die Behandlung von HIV-positiven Patienten nach heutigem Wissensstand kein erhöhtes Gesundheitsrisiko für das Praxisteam dar. Deshalb gilt: Schluss mit den weitverbreiteten Fehlinformationen von der Einbestellung HIV-infizierter Patienten zum Ende der Sprechstunde, Verdoppelung der Schutzausrüstung, Desinfektion der gesamten Flächen im Raum einschließlich Fußboden und danach ein Betretungsverbot für diesen Raum von einer Stunde.

Quelle: www.zahnärzteblatt.de: Dr. Norbert Struß, Vorsitzender des Praxisführungsausschusses der LZK BW

25 ZmedF (Zahnmedizinische Fachangestellte) waren sich nicht sicher (KA = Keine Ahnung steht für „Wir wissen es nicht, nehmen es an, glauben“) und haben entweder sofort den Zahnarzt/Ärztin gefragt bzw baten mich um meine TelNr um mich zurückzurufen oder baten mich mich anderntags noch einmal anzurufen. Bis dahin würden sie es abgeklärt haben. Ein Procedere das ich grundsätzlich sehr begrüßte.

24 Praxen – ZmedF – unter Ihnen waren auch der eine und andere Zahnarzt mit dem ich sprach – verwiesen mich generell an die Uniklinik in Dresden . . .

. . . . “da wir für solche Fälle nicht eingerichtet bzw vorbereitet sind“.
. . . . “wegen der Desinfektion ist es besser wenn Sie zur Uniklinik gehen“.
. . . . “ wir haben nicht die notwendigen Instrumente für solche Fälle“.
. . . . “ da rufen Sie am besten die Landeszahnärztekammer an. Die können ihnen weiter helfen“.
. . . . “ Unsere Kapazität ist begrenzt, die Behandlung ist kompliziert, großer Aufwand“.

Wie gesagt. Meine Fragen bezog sich auf den ganz normalen Zahnärztlichen Alltag. Vorstellung – Ja, Routine Untersuchung wie Röntgen, – Ja. Ab dem Thema Zahn ziehen wurde es mitunter „kompliziert“. Sollte es sich um einen kieferchirurgischen Eingriff handeln – das man einen solchen Eingriff mit HIV sofort in Verbindung brachte verwunderte mich schon – wurde ich bis auf eine Ausnahme per se an die Uniklinik in Dresden verwiesen.

Was mir wiederholt – auch bei den vorhergehenden Umfragen – immer mal angeraten wurde war der Wunsch nach einem “Termin zwecks Vorabkennenlernens”. Da stellt sich mir schon die Frage: Wozu? Ein Zahnarzt ist ja weder ein Partner geschweige denn ein Eheanbahnungsinstitut noch gibt es eine begründetet Notwendigkeit – bzw Informationen darüber das der Zustand der Zähne in einem direkten Zusammenhang mit einer HIV Infektion steht. Zahnärzte bzw ZmdF scheinen der Meinung zu sein, das HIV und schlechte Zähne zusammen gehören. Auch dies das Ergebnis von mangelndem Wissen – mangelhafter Information zum Thema Hiv.

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Im „innerbetrieblichen“ Ausbildungsrahmenplan und dem Rahmenlehrplan für das 1. und 2 Lehrjahr ist unter anderen die Kommunikation zum Thema „Infektionskrankheiten und Maßnahmen der Arbeits- und Praxishygiene“ vorgesehen. Was die Ausbildung in der Berufsschule betrifft ist laut BfA nur ein Baustein „Praxishygiene organisieren“ vorhanden der nach meinem Verständnis inhaltlich recht „mager und einseitig“ auszufallen scheint.

Das Wissen um Infektionskrankheiten und Hygienemaßnahmen gehören zum Alltag von Zahnärzten wie auch Ärzten generell. Diesbezügliche Hinweise gibt es vom RKI wie auch den entsprechenden Landeszahnärztekammern zur Genüge. Allerdings bin ich mir der Ambivalenz im Kontext zur innerbetrieblichen Ausbildung – Wissentransfer im Kontext zu HIV von Zahnärzten bewußt. Bzgl der Berufsbegleitenden Ausbildung durch die entsprechenden Berufsschulen ist es für mich nicht nachvollziehbar. Mein Vater war zu seinen Lebzeiten Ausbildungsleiter in einem metallverarbeitendem Beruf, war in Prüfungskommissionen der IHK´s und hat an der Erstellung von Lehrplänen der Kultusministerien mitgearbeitet. Schon damals stellte er fest das „die Politik  10 – 15 Jahre hinter der Realität – der Entwicklung hinterherhinkt“. Das war Mitte der 60er Jahre! Daran hat sich bis heute nichts geändert. Schnarchnasige sprücheklopfende sich wichtignehmende realistätsfremde Politiker in den Ministerien die von der Praxis keine Ahnung von Tuten und Blasen haben. „Look busy – do Nothing – earn much Money“.

Während der Telefonaktion hatte ich ein längeres Gespräch mit eine Praxismanagerin einer großen Praxis in Dresden von denen es einige gibt. Sie sagte mir das was das Problem des WissenTransfer im Kontext zu Aus wie auch Weiterbildung von ZmedF zum Thema HIV – Infektionskrankheiten generell betrifft „einiges im Argen liegt“. Zum einen wird die Information zum Thema Infektion und Hygiene denjenigen die solche Veranstaltungen besuchen „vor die Füße geknallt „. Trockenes Auswendige lernen – Ablesen aus Infobroschüren. Zudem sind die Weiter – Fortbildungsveranstaltungen Kosten und Zeitintensiv. D.h. sie müssen idR selbst bezahlt werden und finden oftmals in der Freizeit statt. Bzgl der schulischen Ausblidung die sind schlicht und einfach eine Katastrophe. Das Thema „Infektion und Hygiene“ wird sehr stiefmütterlich behandelt. Dies kommunizierte mir auch ein Mitarbeiter vom RKI.

Insofern liegt es auf der Hand das ZmedF am Telefon oftmals aus Unsicherheit bzw dem „Nicht vorhandensein von entsprechenden Informationen“ erst mal eine Aussage „Kein Problem bzgl einer Behandlung – Terminvergabe“ treffen. Erst im Laufe eines Gesprächs, beim Nachhaken stellte es sich heraus heraus das es mit dem „Kein Problem“ doch nicht immer so einfach war. Hat man das Glück mit einem Arzt am Telefon zu sprechen dann stellt sich heraus das es idr anders aussieht.

Ein anderes Gespräch das mir in sehr guter Erinnerung bleiben wird und das ich äußerst bemerkenswert fand, war ein Gespräch mit einer Zahnärztin. Sie war in der Lage mir (und somit auch sich selbst) ihre Unsicherheit was die Behandlung von Menschen mit HIV betrifft einzugestehen. Gleichzeitig war ihr auch klar das die Überwindung von Unsicherheit und existierenden Ängsten nur über den persönlichen Kontakt abgebaut werden kann. Das Gespräch endete mit ihren Worten: „Wenn sie keinen Zahnarzt finden der sie behandelt dann kommen sie trotzdem zu mir.“ Chapeau kann ich da nur sagen.

Wie diese „Lücke“ aus vorhandenem Wissen und Information zum Thema HIV im Kontext zu „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene“ im Alltag geschlossen werden kann, wie man diese „Lücke überbrücken kann – „Bridging the Gap“ das ist in der Tat eine Frage die nicht so einfach zu beantworten ist bzw sein wird. Eine Aufgabe die sich die DAH wie auch der entsprechenden AIDS Hilfen vor Ort zu stellen haben. Aber da bin ich guter Hoffnung. Zumindest was die DAH betrifft.

Hier kommt das Sprichwort der Araber ins Spiel: Ich kann ein Kamel zum Brunnen führen, aber saufen muß es selbst. Und bis es trinkt, bis dahin darf man in den Bemühungen um Aufklärung zum Thema HIV auf allen Ebenen nicht müde werden.

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Update 16. Juni 2013

Infektionsängste sind menschlich – für HIV-Patienten aber folgenreich

HIV ist heute behandelbar, die Infektionswege und die Schutzmöglichkeiten sind bekannt. Dennoch werden Menschen mit HIV weiterhin diskriminiert – auch im Gesundheitswesen. Ein DAH-Video thematisiert nun mögliche Gegenstrategien.

Jedem fünften HIV-Patienten wurde schon einmal eine Behandlung verweigert, ergab eine Umfrage des Projekts „positive stimmen“ der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH). Lediglich ein Drittel der Befragten war sich sicher, dass die medizinischen Unterlagen über ihre HIV-Infektion völlig vertraulich gehandhabt werden. Aus Angst, zurückgewiesen, diskriminiert oder möglicherweise durch eine Unachtsamkeit des Praxispersonals als HIV-Patient bloßgestellt zu werden, scheuen viele von ihnen den Gang zum Arzt.
Quelle: DAH BlogDeutsches Ärzteblatt

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