Zahnärzte – besser als ihr Ruf? (akt 7)


Haben Zahnärzte eine schlechten Ruf?

Diese Frage wird dem Einen oder Anderen möglicherweise beim Lesen dieser Überschrift in den Sinn kommen. Auslöser zu meiner Überschrift war ein Artikel in der FR-Online vom 27. März, ein mißratener Versuch einer Interpretation einer Journalistin über das Ergebnis einer Umfrage den die Aids Hilfe Hanau und Main Kinzig-Kreis e.V. von langer Hand vorbereitet und durchgeführt hatte. Nicht nur das in dem Artikel falsche und vor allen Dingen pauschalierende Aussagen über Ärzte und Zahnärzte zum Ausdruck gebracht wurden, ein solcher Artikel trägt nichts dazu bei um bestehende Stigmatisierung und Ausgrenzug in der Gesellschaft gegenüber HIV Positiven abzutragen. Das Gegenteil ist eher der Fall. Ein in solcher negativer Konnotation geschriebener Artikel vertieft den bestehenden Graben und erschwert die Bemühungen der AIDS Hilfen und der DAH in ihrer Arbeit bzgl Entstigmatisierung sowie der Prävention und Aufklärung zu dem Thema HIV. Wer mehr über die mit dieser Umfrage verbundenen Absichten wissen möchte, der möge sich an die AIDS Hilfe Hanau wenden.

* * *

„Guten Tag. Mein Name ist Günter Meyer. Vor kurzem bin ich nach Darmstadt gezogen und befinde mich jetzt auf einer mit einem Umzg einhergehenden Arzt Odysee. Ich bin seit einigen Jahren HIV positiv, habe eine Hepatitis C und da ich in der Vergangenheit einige unangenehme Erfahrungen mit Ärzten gemacht habe, möchte ich sie vorab fragen ob Sie ein Problem haben mich zu behandeln wenn ich ein Problem mit meinen Zähnen habe?“

Mit dieser Frage habe ich 88 Zahnarztpraxen in Darmstadt und Dieburg in den letzten Tagen auf den Zahn gefühlt. Das Ergebnis war in mancherlei Hinsicht verblüffend. Was ich bei allen Damen die meinen Anruf entgegengenomen haben bemerkenswert fand war deren Ehrlichkeit mir gegenüber. Die meisten Damen mit denen ich telefonierte waren in der Lage mir sofort Auskunft zu geben, andere hatten kurz Rücksprache mit dem Arzt/Ärztin gehalten oder haben mich wenn diese einen Patienten behandelten zu einem späteren Zeitpunkt zurückgerufen. Die Atmosphäre in der ich die meisten Gespräche führte, war ausnahmslos entspannt, teilweise recht locker was daran gelegen haben mag das ich mit der Tatsache das ich HIV positiv bin nicht hinter dem Berg gehalten habe.

Von den 88 Zahnarztpraxen mit denen ich telefoniert habe, waren 19 Arztpraxen auf Grund von Urlaub geschlossen. Insofern sind auch nur Aussagen von 69 Zahnärzten für das Ergebnis dieser Umfrage relevant.

Im Einzelnen ergab sich somit das folgende Bild:

69 Zahnärzte = 100 %

Zu den Zahlen im Einzelnen:

30 Zahnärzte = 43 % Ja

Auf meine Frage “Ob sie (die Zahnärzte) mich der ich HIV + bin und eine HEP C habe behandeln, antwortete man mir mit einem klaren, Ja, damit haben wir kein Problem. Sie sind ein Mensch wie wir auch.

22 Zahnärzte = 32 %  Ja, aber . . .

In dieser Gruppe sind einige  Zahnärzte deren Terminvergabe/Wartezeit bis zu 3 Monaten beträgt. Hier wollte ich nicht weiter nachfragen und enthalte mich bewußt jeder Interpretation, da ich davon ausgehe das ein Ja ein Ja ist bis sich das Gegenteil herausstellt. Zudem man mir auch meine Frage “Wie es dann bei einem Notfall ist wenn ich am Wochenende Zahnschmerzen  habe und eine Wurzelbehandlung notwendig wird” keine abschlägige Antwort gab. Zu dieser Gruppe gehörten auch einige Zahnarztpraxen die nur über ein Behandlungszimmer verfügten, sowie zwei Praxen, die keine Patienten mehr annehmen.

Alle Damen aus dieser Gruppe sagten mir jedoch, “das eine Behandlung entweder vor der Mittagspause oder am Ende des Sprechtages möglich sei, da nach der Behandlung eines HIV Positiven/Hep C Infizierten der Behandlungsraum gründlich desinfiziert werden müsste was mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist. Würde man mich während der regulären Sprechstunde behandeln, so könne man auf Grund der Desinfizierung des Behandlunsgraumes für einen bestimmten Zeitraum keine anderen Patienten behandeln. Da gäbe es Vorschriften nach denen man sich zu richten habe.”

Im Laufe eines Gespräches das ich mit der Landeszahnärztekammer in Hessen führte, teilte man mir mit, dass es keine derartigen “speziellen” Vorschriften gibt. Für alle Zahnärzte gelten die Bestimmungen des Robert Koch Institutes wie sie von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention “Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene” dargelegt sind. Da heißt es unter anderem:

Nach der Behandlung eines jeden Patienten sind die durch Kontakt oder Aerosol kontaminierten patientennahen Oberflächen /Zahnarztelement, Assistenzenelement, med-technische Geräte und Einrichtunsgegenstände, im Bereich der Patientenversorgung) zu desinfizieren. Gezielte Desinfektionsmaßnahmen sind notwendig, wenn eine sichtbare Kontamination auch patientenferner Flächen (z.b. Fußboden) mit Blut, Speichel oder anderer potentiell Sekrete oder einer besondere Risikosituation vorliegt. Täglich ist am Ende des Behandlungstages eine Flächendesinfektion aller Arbeitsflächen vorzunehmen. Quelle Seite 384, 7 ff

Auf die Frage ob denn eine akute Situation bei mir vorliegen würde antwortete ich das dies zur Zeit nicht der Fall sei.

“Da ich im Laufe der Zeit einige unangenehme Erfahrungen mit Ärzten gemacht habe als ich mich in deren Praxis befand möchte ich dies von vornherein ausschließen.”

“In diesem Fall, so die Damen, vergessen Sie nicht wenn Sie sich einen Termin geben lassen darauf hinzuweisen das Sie HIV positiv sind.”

“Nun, erwiderte ich, solange keine weit fortgeschrittene HIV Infektion oder AIDS Erkrankung besteht ist man nicht verpflichtet seinen Status „HIV+“ offenzulegen.”

Im Laufe der folgenden Kommunikation kamen nicht nur bestehende Ängste und Unsicherheiten die mit dem Offenlegen einer Infektion mit HIV/HEP C durch HIV Positive seitens des Personal wie auch vieler HIV Positiver selbst einhergehen zur Sprache, sondern wir kamen auch auf andere infektiöse Krankheiten zu sprechen wie sie u.a. hier (Seite 375,1 ff) dargelegt werden. Allen war es bekannt das sich ein Arzt jedem Patienten gegenüber zu schützen hat. Zum einen was den Schutz des Arztes vor einer Infizierung durch einen Patienten, zum anderen was den Schutz des Patienten durch den ihn behandelnden Arzt betrifft, da dieser täglich mit Menschen in engem körperlichem Kontakt ist ohne Wissen um eine mögliche Krankheit seiner Patienten.

Hier gibt es in der Tat Handlungsbedarf was das Thema “Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient im Bereich HIV/HEP C ” betrifft, da auf beiden Seiten Arzt wie HIV/HEP C Infizierten Ängste vorhanden sind.

Viele HIV Positive verschweigen unter anderem ihren Status deshalb weil sie Angst haben abgelehnt zu werden. Doch wie soll man seine Angst überwinden, wie soll man von anderen Menschen angenommen und akzeptiert werden wenn man nicht dem Anderen das mitteilt wovor – warum man Angst hat? Beide „Arzt und Patient“ haben u.U. Angst davor dem Anderen seine Ängste mitzuteilen. Beide „Patient und Arzt“ haben Angst vor dem Unbekannten. Ob man angenommen oder abglehnt wird weiß man nicht, man stellt es sich vor das dies der Fall sein könnte was oftmals Schweigen nach sich zieht. Der Arzt hat Angst vor einer möglichen Verletzung, einer möglichen Infizierung mit einer ansteckenden Krankheit. Der Patient hat Angst bei bekannt werden seiner infektiösen Krankheit Ablehnung zu erfahren.

So schmerzhaft auch eine Wahrheit sein kann, so ist sie in gleichem Maß auch erlösend und befreiend da die ungleich schwerere Last des „Schweigens“ weniger geworden, wenn nicht gar gänzlich verschwunden ist. Ein anderer, wie ich finde weitaus wesentlicher Aspekt ist das ein Arzt wenn man ihn informiert hat und er sich im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit mit einem Instrument verletzten sollte sofort die entsprechenden Gegenmaßnahmen „PEP“ einleiten kann.

Natürlich trifft dies nur für diejenigen Patienten zu die von ihrer bestehenden HIV/HEP C Infektion Kenntnis haben.

17 Zahnärzte = 25 % Nein

Hier lasse ich einfach mal der Einfachheit halber die Begründung soweit ich welche erhalten habe stehen und wirken.

„Unsere Praxis ist was die Hygiene betrifft dafür nicht eingerichtet“

„Nein, wegen der Hygiene. Aber in der Uni Klinik in Mainz oder im Carolinum in der Uniklinik in Frankfurt sind sie gut aufgehoben. Außerdem ist es mit der S-Bahn kein Problem dort hin zu kommen.“

„Ach nein, lieber nicht. Da ist die Angst vor einer Ansteckung und außerdem habe ich Kinder“

„Wir haben nicht die entsprechenden Vorrichtungen“

„Nein, wir sind nicht auf HIV Patienten eingestellt . . . . . wir sind sehr christlich eingestellt“

„Im Prinzip ja, aber wegen der Hygiene. Wir sind eine offene Praxis, haben keine abgeschlossenen Räume. Zu uns kommen sehr viele Kiddis  . . . „

„Nein, dafür sind ja Kliniken spezialisiert“

„. . . eher nicht, da wir wegen der Hygiene und Sterilisation nicht entsprechend eingerichtet sind . . .“

„Wir nehmen keine HIV Patienten an“.

* * *

Fazit

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen. Haben Zahnärzte einen schlechten Ruf?  Pauschalierend, alle über einen Kamm scherend wie es in dem Artikel der FR vom 27. März zum Ausdruck gebracht wurde ist er mit Sicherheit nicht. Aber einen Grund zum Jubeln gibt es auch nicht. Die Situation was die Behandlung von HIV/HEPC Patienten betrifft ist noch weit entfernt von einem Zustand den man als ideal bezeichnen könnte. Die Behandlung der Patienten mit der Begründung wegen der „Hygiene“ an das Ende der Sprechzeit zu verlegen schon alleine das mutet seltsam an. Ihnen jedaoch die Behandlung mit der Begründung „Dafür sind die Uniklinken zuständigt – spezialisiert, mit der S-Bahn ist man ja schnell in Frankfurt oder Mainz“ zu verweigern ist gelinde ausgedrückt eine Unverschämtheit.

P.S.

Wenn ich mir den Fragebogen den die AH Hanau an Allgemeinmediziner und Zahnärzte in Hanau und im Main Kinzig Kreis verschickt hat, durchlese komm ich aus dem Staunen nicht raus. Da heißt es unter Punkt 3.

„Haben Sie bzw ihre Mitarbeiterinnen Interesse an Informatiosnveranstaltungen zu den Themen HIV/AIDS und Hepatities?“

Einerseits ist es zwar löblich das AIDS Hilfen Infoveranstaltungen rund um das Thema HIV/AIDS anbieten, doch es kann nicht Aufgabe einer AH sein, dass auf Grund fehlenden oder mangelnden Wissen oder Wollens „Standards – Basis Wissen“ das zum Must Know des Arzteberufes gehören die AIDS Hilfen Zahnärzte bitten und sie fragen ob diese „Interesse“ hätten an einer Informationsveranstaltung teilzunehmen damit wir sie über ihre Basics bezüglich der Ausübung IHRES JOB informieren.

Das Wissen um die Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene gehört zum Berufsbild des Zahnsarztes. Was die Sachlage wann und ob ein HIV Positver seinen Status offenlegen muß auch auch das ist geregelt und bekannt. Es liegt an den Zahnärzten sich entsprechend zu informieren und dies in die Tat umzusetzen.

* * *

Update 8. April 2011 Zahnärztin weist HIV-Positiven ab

„Ich hatte auf dem Patienten-Fragebogen ehrlicherweise angegegeben, dass ich HIV-positiv bin“, sagt er. „Als ich vom Zähneputzen kam, schauten mich die Sprechstundenhilfen ganz betreten an, dann wurde ich ins Wartezimmer gebeten und die Tür geschlossen.“ Ein Helfer bat ihn zum Gespräch.

Derzeit könne man ihn nicht behandeln, HIV-Kranke bräuchten eine Randbehandlung, so erzählt es Andreas W. Als letzten Patienten könne man ihn einschieben. Jedoch wisse man nicht, wann genau das sei. Ein neuer Termin wurde nicht angeboten. „Ich habe das als Rausschmiss empfunden. Für mich war das diskriminierend“, sagt Andreas W. Quelle AZ – München

Nach 30 Jahren HIV in Deutschland ist solches Verhalten nicht mehr  akzeptabel . Auch der Einwand das „es leider immer noch passiert“ zählt nicht mehr. Auch mit einer Beschwerde bei der Zahnärztlichen Ärztekammer ist es imo nicht mehr getan. Vielmehr sollte man endlich anfangen einem solchen Verhalten von Ärzten einem Riegel vorzuschieben indem man sie wegen Diskriminierung anzeigt. Nicht umsonst gibt es den Artikel 3 des Grundgesetzes und das Gesetz gegen Ungleichbehandlung.

Da es „im Guten“ nicht funktioniert, vielleicht hilft ja die alte Volksweisheit“ Wer nicht hört muss fühlen“.

DAFÜR könnte sich die AH München besonders der Herr Niederbühl stark machen . . . weil „solidarisches Miteinander“ scheint ihm ja ein besonderes Anliegen zu sein . . . .

* * *

Update 9. Juli 2012

HIV-positiv beim Zahnarzt: Es reicht … ziehen wir Zahnärzten den Zahn

Diesen Zahn (der Diskriminierung HIV-Positiver) müssen WIR den Zahnärzten ziehen!

Oder wird es Zeit, dass HIV-Positive den Deutschen Zahnärzte-Tag aufmischen, hier ihren Protest deutlich hörbar machen? Der nächste Deutsche Zahnärztetag wäre dann am 9. und 10. November 2012 in Frankfurt. Kurz vor dem Welt-Aids-Tag und der Paulskirchen-Veranstaltung der Frankfurter Aids-Hilfe … ein guter Zeitpunkt, dass Zahnärzte sich endlich dem Thema HIV stellen, Position beziehen. Und klar machen, wie sie zum Thema Behandlungsverweigerung und Stigmatisierung HIV-Positiver stehen.

Quelle: Ondamaris

Sehe ich genauso. Gehn wir s gemeinsam an!

* * * * *

Weitere/Ähnliche Beiträge zu diesem Themenbereich:

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines, Gesellschaft, Gesundheit, HEP C, HIV im Alltag, HIV/AIDS, Medien, Prävention/Aufklärung abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Zahnärzte – besser als ihr Ruf? (akt 7)

  1. Wolfgang schreibt:

    Hallo, in diesen Abschnitt des Artikels

    „Nach der Behandlung eines jeden Patienten sind die durch Kontakt oder Aerosol kontaminierten patientennahen Oberflächen /Zahnarztelement, Assistenzenelement, med-technische Geräte und Einrichtunsgegenstände, im Bereich der Patientenversorgung) zu infizieren. “

    hat sich wohl ein Tippfehler eingeschlichen.

    Letztes Wort ….. infizieren….. soll doch sicher desinfizieren heißen?

    lg
    Wolfgang

  2. alivenkickn schreibt:

    Danke Wolfgang,

    Es geht doch nichts über einen guten Lektor . . . 😉

  3. Rolf schreibt:

    Ein sehr interessanter Artikel. Ich hätte gedacht, dass weit aus mehr Zahnärzte dabei Probleme haben einen HIV postiven Menschen zu behandeln. Auf der anderen Seite tragen ja fast alle Zahnärzte und auch die Helferinnen Handschuhe, da dürfte nicht sehr viel passieren.

  4. alivenkickn schreibt:

    hallo rolf,

    die einhaltung der hygienevorschriften ist das geringste. tatsache ist das ca 80% aller zahnärzte in darmstadt/dieburg wie auch in frankfurt immer noch „randtermine – bzw termine am ende der sprechstunde“ vergeben was eindeutig eine diskriminierung von menschen mit hiv ist. gib in dem suchfeld mal „zahnärzte“ ein. da findest du die situation wie sie sich im mai 2012 in frankfurt darstellt.

    lg alivenkickn

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..