„Eigentlich könnt ich ja mal die Sonntagsschuhe anziehen“, dacht er so vor hin sich als er vor dem Schuhschrank stand. Er würde heute den ganzen Tag in der Stadt unterwegs sein und schon der Gedanke daran, dass ihm die Füße weh tun werden weil die Polyneuroptahie in den Füßen trotz der Medikamente die er nahm sich wieder bemerkbar machte, gefiel ihm gar nicht. Die „Sonntagsschuhe“ die von einer guten Qualität waren, hatte er sich vor Jahren gekauft doch bis jetzt noch nie angezogen. Es war halt bis jetzt noch nicht der richtige Anlaß dafür gekommen. „Vielleicht“, sagte er sich, „fühlen sich meine Füße in ihnen wohler als in den anderen, den AlltagsSchuhen.“.
Schon beim reinschlüpfen stelle er fest, dass sie bequemer waren. Als er beide Schuhe angezogen hatte und einige Schritte in der Wohnung auf und ab ging, kam er aus dem Staunen nicht heraus. Kein beengendes Gefühl, kein Gefühl als hätte er Luftballons anstelle von Zehen an seinen Füßen. Die Schuhe waren weit und bequem geschnitten, das Leder war weich und gab seinen Füßen nach. Mit jedem Schritt spürte er seine alte Sicherheit beim Laufen zurückkehren.
Es war so ein altes Erziehungsmuster. Im Alltag trug man preiswerte Alltagsschuhe und Alltagskleidung. Sonntags wurde der Sonntagsstaat aus dem Schrank geholt. Und Sonntagsschuhe gehörten dazu. EIn Kind spielte auch nicht am Sonntag. Der feine Sonntagsstaat könnte ja beschmutzt werden. Sonntags hatte man sich sittsam zu benehmen was soviel hieß das man sich wie ein lebender Toter zu verhalten hatte.
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Da er sich heute gegen Grippen impfen lassen wollte, erschien er wie abgesprochen 30 Minuten vor seinem Arzttermin. Nach einigen Minuten kam eine MTA und bat ihn ins Behandlungszimmer. Im Behandlungszimmer angkommen zog er seine Jacke aus und steckte seinen Kopf in das Nebenzimmer wo die MTA seine Spritze mit dem GrippeSerum aufzog. „Hier dürfen sie nicht rein“, bellte sie ihn an. „Das ist wegen dem Datenschutz“. „Aha“, sagte er „Datenschutz“ . . . .
Das Zimmer wo die entsprechenden Vorbereitungen zur Blutabnahme etc.getroffen wurde war aufgeräumt. Da lag nichts auf dem Tisch was ein Anlaß zu einem Verstoß gegen den Datenschutz hätte geben könne. Nur das Material was man für eine Blutabnahme, etc benötigte. „Ich will ja auch gar nicht in dieses Zimmer hinein“, sagte er freundlich lächelnd, „sondern einfach nur mal schaun“. „Das düfen sie aber nicht“, sagte sie. „Wenn das alle Patienten machen würden.“
Sie war eine Person von einer Körpergröße von ca 160 cm. Jedesmal wenn sie das Wort Datenschutz in den Mund nahm konnte er förmlich sehen wie sie wuchs. Ihr Selbstwert und Selbstbewußtsein, so kam es ihm jedenfalls vor bezog sie aus ihrem Wissen um den Datenschutz und darum das es im Prinzip in diesem Fall ja um´s Prinzip ging.
„Ah ja“, sagte er „der Datenschutz“. „Na dann erzählen sie mir mal was vom Datenschutz,“ während er den Ärmel des Hemdes an seinem rechten Arm hochkrempelte wie er es all die Jahre immer getan hatte. „Sie müssen das Hemd ausziehen“, sagte sie und wuchs 4 cm. „Aber das kurzärmlige T-Shirt kann ich anbehalten, oder“? „Ja“ sagte sie, „aber sie müssen den Ärmel des T-Shirts ganz hochkrempeln“ sagte sie und schoß um weitere 3,5 Zentimeter im Bewußtsein ihrer Wichtigkeit in die Höhe.
„Wie lange sind sie eigentlich hier?“, fragte er sie. „Zwei Jahre“ sagte sie weitere 5,3 cm wachsend. „2 Jahre? Na das is ja n Ding. Ich hab sie hier noch nie wahrgenommen“.
Während sie ihm das Serum injizierte stand eine andere MTA in der Tür zwischen Vorbereitungs und Behandlungszimmer und stellte einige Fragen, die unschwer mit einem anderen Patienten in Zusammenhang zu bringen waren. „Ja ja, der Datenschutz“ sagte er zu der GrippeImpfMadame als sie wieder alleine waren. „Wenn sie s so ernst damit nehmen wie sie sagen, dann dürften sie solche Fragen in Anwesenheit eines Patienten hier nicht beantworten. Sie müßten ins andere Zimmer gehen, die Tür schließen und sich dort mit ihrer Kollegin unterhalten“. Für einen Moment schrumpfte sie kurz auf ihre alte Größe zurück, wollte zu einer Erwiederung ansetzen als er, mittlerweile hatte er sein Hemd angezogen, in der Tür stand um das Behandlungszimmer zu verlassen, zu ihr sagte: „Na dann bis zum nächsten Mal. Mal schaun wie wir beide dann drauf sind.“
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Ihre Werte sind wie immer sagte sein Doc. In Ordnung. Die CD4 sind bei 371,die VL bei 61. Ach sagte er zu seinem Doc. Wissen Sie noch wie wir uns gefreut haben als die Meßbarkeit der VL bei <200 und dann <100 lag. Ja sagte er. Ich seh da auch nix problematisches bei ner VL von 61. Was aber wirklich gut ist sind ihre Gamma Werte. Sie sind zwar nicht im Normbereich aber sie sind wieder besser geworden. GPT 79, GOT 68 und GGT 90.
Das sich sein Doc darüber besonders freute, wie er auch, hing mit der 15 monatigen Peg Inf Behandlung zusammen. Er wie auch sein Doc atmeten damals auf, als die Peg Inf Behandlung endlich nach 30 Wochen ansprach. Nach 30 Wochen war der HEP C Virus erstmals unter der Nachweisgrenze. So lange hatte es bei keinem Patienten gedauert, sagte er. Das war im Sommer 2004. Ohne sich im Vorfeld mit der Krankenkasse auseinanderzusetzen, beschloß sein Doc die Behandlungsdauer auf 15 Monate festzusetzen. Wie sich herausstellte war dies die richtige Entscheidung. Seit 5 Jahren ist er HEP C frei, die Gamma Werte sinken ganz langsam und seine Leber und seine Milz sind wieder auf ihre Normalgröße zurückgegangen. Die anderen Werte sind alle in Ordnung – wie immer sagte sein Doc.
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Auf dem Weg zur U-Bahn Station beschloß ich spontan in meiner Lieblingsrösterei vorbei zu schauen. Vorbei an der Niederlassung eines renomierten Kameraherstellers und einem wunderschönen alten Jaguar aus den 70 Jahren stand ich auf einmal vor einer Confiserie. Was mir sofort ins Auge stach waren köstliche Macarons. Wie von einem Magnet magisch angezogen fand ich mich dann auch folgerichtig und logisch im Inneren einer kleinen Konditorei/Patisserie wieder.
Was mich interessierte war „von MeisterHand handemachtes“ Ich staunte nicht schlecht als ich eine ganze Wand voller abgepackter Köstlichkeiten entdeckte. Von selbst hergestellten Toffees, Fruchtgelees, Gummibärchen, Konfekt bis hin zu den Macarons in den verschiedensten Geschmacksrichtungen. Und das sie gut sein mußten, daran gab es für mich keinen Zweifel. Das halbleere Tablett hinter einer der GlasVitrinen ließ keinen anderen Schluß zu.
In einer Auslage entdeckte ich dann das, was für mich unter anderem „Frankreich und die Genußabteilung“ ausmachte. Baiser Kugeln, Esterhazy Schnitten, Petit Fours usw.usf. Es war die Accuratesse, das Design und die Sorgfalt des Äußeren der Köstlichkeiten die mir sagte das hier einer mit Leib und Seel bei der Sache ist. Während ich die Gummibärchen und Toffees bezahlte war ich mit einer der Damen auf einmal mitten im Gespräch über Qualität und Zutaten der Produkte.
Toffee as Toffee can be
Weiß der Geier wie s geschah, aber auf einmal kam heraus das wir uns – die Bäckerei und ich – schon von Kindheitstagen an kannten.
Die Torten der Bäckerei Opitz in der Bruchfeldstrasse in Frankfurt-Niederrad, waren schon damals in den späten 50 ger Jahren berühmt. Unter ihnen nahm eine einen ganz besonderen Platz ein, die es auch nur zu bestimmten Anlässen gab. Die Pfauenauge Torte. Sie wurde nicht immer hergestellt. Man mußte schon Glück haben wenn man sie ergattern wollte.
Zum einen ist das Pfauenauge ein Schmetterling, zum anderen erinnert es an ein „Augen“ das man in den Federn eines Pfau, wenn er sein Rad schlägt erkennt. Dieses Auge aus div buntem Marzipan befand sich im Inneren einer köstllichen Cremetorte. Wenn man ein Stück dieser Torte auf dem Teller vor sich hatte, so wollte man sie eigentlich gar nicht anrühren. Die Anordnung der bunten Marzipanmassen die beim Aufschneiden ein Auge, umgeben von einer herrlichen Buttercreme darstellte, zeugten von Kreativität und hohem handwerklichen und künstlerischem Können. Für die Zeit um 1958 – 1960 war dies aussergewöhnlich. Was die Qualität der Zutaten betraf, da war nix chemisches oder Tüte auf und fertig. Das war damals schon die Hohe Schule der Konditorei/Patisserie. Von den Florentinern die es dort ebenfalls gab ganz zu schweigen.
Einen Moment, sagte eine der Damen, packte einen schneeweisen Baiser in eine Tüte und händigte sie mir aus. Dieses Baiser ist innen mit Mandelscheibchen gefüllt, so wie es auch in Frankreich gemacht wird, sagte sie lächelnd . . . . . . .
Freudig sprachlos erstaunt verließ ich die Konditorei – Choclaterie Jochen Opitz.
Sie waren göttlich. Die Toffees, die Gummibärchen und das mit Mandeln gefüllte innen wie aussen schneeweise Baiser.